Peter Bolli will mehr. Acht Jahre lang sass er in der Rechnungsprüfungskommission (RPK) von Eglisau – nun kandidiert er für den Gemeinderat. Sein Fazit zur bisherigen Arbeit ist deutlich: Die RPK sei wichtig, aber ohne direkte Einflussmöglichkeiten letztlich machtlos. Jetzt will Bolli mitgestalten – mit grossem Erfahrungsschatz, klaren Worten und einem politischen Stil, der anecken könnte.
Im Interview nimmt Bolli kein Blatt vor den Mund – und erklärt, warum für ihn Emotionen in der Politik kein Widerspruch zur Sachlichkeit sind.
zu24: Peter Bolli, nach der RPK nun in den Gemeinderat – was ist der Beweggrund?
Peter Bolli: Ja, die RPK mit vielen beeindruckenden Erlebnissen – als Gremium vom Volk gewählt, um die Prüfung des Budgets und der Jahresrechnung der Gemeinde, die Überprüfung von Geschäften von finanzieller Tragweite wie Spezialkredite und Bauprojekte sowie die Beurteilung der finanziellen Angemessenheit und der rechnerischen Richtigkeit der Ausgaben zu prüfen – war und ist eine ehrenvolle Aufgabe.
Aber, sind wir ehrlich miteinander: Ohne Mitsprache- und Mitentscheidungsauftrag vom Volk ist das meiner Meinung nach ein zahnloser Tiger. Ich stelle mich der Gemeinde als Mitarbeiter im Gemeinderat zur Verfügung – mit meinen 8 Jahren an Erfahrungen in der RPK, mit der Erfahrung aus 45 Jahren Arbeit, von der Pike auf bis zum Boss mit eigener Firma, und mit der langjährigen Tätigkeit als Präsident der Spitex am Rhein. Zugreifen und profitieren – schaden wird es nicht!
zu24: Was für einen Gemeinderat bekäme Eglisau mit Peter Bolli?
Peter Bolli: Einen Echten, einen Macher, einen "Chrampfer" – einen nicht immer angenehmen, vielleicht auch manchmal anstrengenden, sicher aber loyalen, von der Sache überzeugten, lebenserfahrenen, bodenständigen "Chrampfer". (Nicht verkrampfter.)
zu24: Welche Herausforderungen in Eglisau sehen Sie als dringlich?
Peter Bolli: Ein unerschöpfliches Gebiet der Aufgaben und Möglichkeiten tut sich da auf. Aber …
1. Finanzen: Meine Ausbildung und Erfahrung auf dem Gebiet der Finanzen.
Ich bin der Meinung, dass die Wirkkreisorganisation Ineffizienz fördert und der Gemeinde dadurch nicht nur einen finanziellen Schaden verursacht. Deshalb muss, nach meiner Meinung, dringend über eine Reform nachgedacht werden.
2. Gesundheitswesen: Meine Erfahrung mit dem Gesundheitswesen und der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. (Präsident Spitex am Rhein / Verwaltungsrat BaMed AG, Finanzen) Tatsache ist: Zunahme der Langzeitpflege bis 2040: +50.9 % → Ø +3.4 %/Jahr. Zunahme der Spitex-Pflege bis 2040: +41.0 % → Ø +2.7 %/Jahr
In der nächsten Zukunft sollte die Gemeinde und der Gemeinderat über die integrierte Versorgung der Bevölkerung nicht nur nachdenken, sondern sich intensiv und schnellstens damit auseinandersetzen. In diesem Bereich gibt es nicht nur viel Sparpotenzial, sondern auch einen unermesslichen Schatz an Synergien, welche heute ungenügend genützt werden und z.T. brach vor sich hinvegetieren. Eine übergeordnete Aufgabe der Gemeinde, welche heute nur partiell bearbeitet wird.
3. Soziales Umfeld: Meine Erfahrung im sozialen Umfeld in Schule, Bevölkerung und Politik. Heute geht es der Gemeinde gut, was die Sozialsysteme anbelangt – aber was ist, wenn all die US-Amerikaner demnächst bei uns anklopfen werden? Spass beiseite: Es werden der Kriege nicht weniger, das immer wärmere Klima wird die Menschen aus den heissen Gebieten in gemässigtere Zonen vertreiben. Das Thema wird heisser werden, als es heute gekocht wird, und sollte deshalb prioritär angedacht und bearbeitet werden.
zu24: Und wo sehen Sie Ihre schwächeren Seiten?
Peter Bolli: Ich habe keine Erfahrungen im Bauwesen. Da hätte ich Nachholbedarf.
zu24: Wie würden Sie Ihre Rolle innerhalb des Gremiums sehen?
Peter Bolli: Wenn, dann, würde es als Erstes geboten sein, zuzuhören und sich einzubringen, wo das möglich ist. Zum Zweiten Pflicht sein, sich mit dem zugeteilten Ressort gründlich auseinanderzusetzen und mit den die Arbeit ausführenden Mitarbeitenden zusammenzusitzen und ihnen gründlich zuzuhören. Als Drittes gelten, die Arbeiten mit all ihren Facetten anzugehen und umzusetzen. Als Viertes, die dem Volk am besten dienende Rolle im Gremium einzunehmen. Wir werden sehen – oder eben auch nicht.
zu24: Sie können sehr emotional werden. Passt das in die Politik?
Peter Bolli: Was für eine Frage! Nichts ist menschlicher, natürlicher – ein klares: Ja!
Wussten Sie, dass 80 % aller politischen Entscheidungen massgeblich und mit einer guten Prise Emotionen gespickt zustande kommen? Ohren und Augen auf – dann sehen Sie es auf Schritt und Tritt!
Emotionen zu haben, heisst, echt zu sein – heisst, Mensch zu sein.
Ich bin echt – ein Politiker zum Anfassen, ein Politiker, der mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehend rationale Entscheidungen treffen und dafür die Verantwortung übernehmen kann.
Zu meinem gelingenden Leben gehört es, als Ganzes – mit Herz und Verstand – am politischen Gemeinwesen zu partizipieren, leidenschaftlich um das Gemeinwohl zu streiten und mich mit dem gemeinsamen Guten zu identifizieren. Da fehlt mir ein wenig der Stammtisch von früher.
Die heutige Tendenz, alles Emotionale als „irrational“ zu bannen oder zumindest zu privatisieren, schadet der Demokratie, der demokratischen Prozessarbeit, der ausgewogenen Entscheidungsfindung – und versteckt die Verantwortlichkeit nahezu zur Gänze. Das ist nicht meine Sache.